Reisen

Moorbaden

Unheimlich heilsam

Wer mit Moor nur torfiges Wasser, Nebelschwaden und dichte Wälder verbindet, dazu eine mystisch-unheimliche Atmosphäre und allerlei schaurige Geschichten, der hat das wahre Moorgeheimnis noch nicht entdeckt. Kommen Sie mit auf eine wohlig-warme Entdeckungsreise.

Sie ist groß, ihr breiiger Inhalt rabenschwarz – und ich mir uneins, ob ich da wirklich rein will. Bilder von Moorleichen steigen vor meinem geistigen Auge auf. Aber was sollte mir denn hier im altehrwürdigen Jugendstil-Kurhausbad von Bad Kissingen (www.badkissingen.de), das 1927 nach Plänen des Star-Architekten Max Littmann erbaut wurde, schon passieren? Noch dazu in einer Wanne! Schluss damit.

Wannenerfahrungen

Also folge ich den aufmunternden Worten meiner Bademeisterin und besteige das Wannenmonstrum. In dem könnte ich, ehrlich gesagt, wirklich untergehen. Und zeigen die in Filmen nicht immer so schaurige Szenen, wo irgendjemand glucksend vom Moor verschluckt wird? Ruhe jetzt.

Es dauert also etwas, bis ich aufhöre, nach der Fußleiste zu angeln, die man mir vorher im noch ungefüllten Wannenzustand gezeigt hatte, während mir „Moorbad-Neuling“ alles erklärt wurde. Erstens erreiche ich die Leiste nicht und zweitens brauche ich sie nicht – denn: Ich schwebe, das Moorbad trägt mich. Ein Gefühl von Schwerelosigkeit macht sich breit. Und so entspanne ich im dickbreiigen Schwarz, das sich angenehmer anfühlt als seine Konsistenz zunächst befürchten ließ.

Mit der Zeit treibt mir zudem seine Wärme die Schweißperlen auf die Stirn. Nun verstehe ich, was es mit der „schlechten Wärmeleitung“ auf sich hat, die man dem Moor nachsagt. Ein „Überwärmungsbad“ sei es. Und auch das „künstliche Heilfieber“, das bis zu zwölf Stunden anhalten kann, lerne ich kennen. Mir wird noch am Abend angenehm warm sein und ich werde merken, wie wohltuend die bessere Durchblutung auf meine verspannten Muskeln wirkt. Puh, jetzt kriege ich aber echt die Hitze.

Angeschaut

Moor und mehr gibt es auch entlang der 170 Kilometer langen Deutschen Fehnroute (www.fehnroute.de) in Ostfriesland zu entdecken. Der Begriff Fehn für Moor leitet sich dabei vom niederländischen Veen ab. An der Strecke liegen zahlreiche Zeugen der „torfigen“ Vergangenheit der Region: Prächtige Windmühlen, funktionsfähige Schleusen, uralte Backsteinkirchen und traditionelle Gulfhäuser. Hinzu kommen – natürlich – moorige Naturschutzgebiete, schiffbare Kanäle (Wieken) und Klappbrücken. Ein nettes Etappenziel, vor allem für Radtouristen, ist das Moor- und Fehnmuseum Elisabethfehn (www.fehnmuseum.de) im Cloppenburger Land. Im Kanalwärterhaus aus dem Jahre 1896 entstand eine Dauerausstellung rund um Moor, Fehn und Torf – Moortretbecken auf der Außenanlage inklusive. Das Museum ist von April bis Oktober täglich außer montags geöffnet, in der Winterpause sind Gruppen nach Voranmeldung willkommen.

Moordetails

Doch wie bestellt ist sie wieder da, meine Badefrau, und wischt mir fürsorglich das Gesicht ab, kontrolliert, ob mein Kreislauf nicht schlapp macht. Und lässt sich bereitwillig ausfragen: Wie viele Menschen sie so am Tag in die Moorwanne packe, abspritze und hinterher für die wichtige Nach-Ruhe in Decken packe? Bis zu 20. Wo denn das Moor herkomme, in dem ich gerade liege? Aus der Lüneburger Heide, denn in der nahen Hochrhön, wo Bad Kissingen einst sein Heilmittel her bezogen hätte, werde heute kein Torf mehr abgebaut. Und wie muss ich mir das vorstellen? Einmal die Woche kommt eine Ladung Trockentorf, der im Haus noch mal gereinigt wird, um dann mit Wasser angereichert zum Moorbad aufbereitet zu werden. Ob es denn heute noch „echte“ Moorheilbäder gäbe, die ihren eigenen Torfabbau hätten? Klar, Bad Aibling (www.bad-aibling.de) etwa. Dort sei 1845 auch die erste bayerische Sole- und Moorschlamm-Badeanstalt eröffnet worden. Aber die meisten der etwa 20 deutschen Moorheilbäder würden wie Bad Kissingen „beliefert“ werden.

Dann klingelt es, meine Bade- und Plauderzeit ist vorüber. Während glucksend das Moorbad abläuft, entsteige ich – schon mal abgespritzt – der Wanne, um mich unter der Dusche endgültig vom Moor zu verabschieden. Eingepackt in Tücher und einer Decke liege ich wenig später in der Umkleidekabine auf der Liege. Noch einmal umsorgt mich „meine“ Badefrau: Schön die Nach-Ruhe einhalten, das sei wichtig, der Wecker sei gestellt. Und trinken nicht vergessen.

Nachruhen

Alles klar, mache ich. Und während ich darüber nachdenke, ob ich nachher im Luitpoldpark den Klanggarten erkunden soll oder doch lieber einen Spaziergang entlang der Saale zum alten Gradierwerk mache, döse ich auch schon „nach-ruhend“ ein. Doch auch im Halbschlaf lässt mich das Moor noch nicht los – wenn ich auch dem Moorleichenschicksal entgangen bin. Es kommt mir in den Sinn, dass bereits Paracelsus das Moor als Heilmittel empfohlen hat, doch die Geschichte der Moorheilbäder erst viel später begann. Es heißt nämlich, Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte, damals König von Westfalen, habe nach der Völkerschlacht bei Leipzig für seine Truppen das erste Kurbad mit Mooranwendungen im niedersächsischen Bad Nenndorf (www.badnenndorf.de) einrichten lassen. Aber das ist ein anderer Ort und eine andere Badegeschichte…

Sonja Sahmer