Aus der Kräuterecke

Heilkraft der Wiesenblumen

Das blühende Leben

„Blumen sind die schönen Worte und Hieroglyphen der Natur, mit denen sie uns andeutet, wie lieb sie uns hat.“

So schrieb Johann Wolfgang von Goethe. Und damit hatte er gleich in mehrfacher Hinsicht recht. Denn Blumen sind nicht nur schön anzuschauen, die blühenden „Hieroglyphen der Natur“ haben bisweilen auch eine große Heilkraft. Im Zusammenspiel mit der Erde, aus der sie wachsen, und dem lebensspendenden Sonnenlicht bilden sie Inhaltsstoffe, die der menschlichen Gesundheit gut tun.

Bereits die alten Ägypter kannten Rezepturen aus Kräutern und Blumen, systematisch geordnet wurden sie erstmals von Griechen und Römern. In den Klostergärten des Mittelalters wurden die einstmals wilden Wald- und Wiesenblumen gezüchtet und somit zu Officinal-Pflanzen, wie man in der Pharmazie sagt. Berühmt sind die Kräuterbücher der Hildegard von Bingen, von Leonhard Fuchs, Hieronymus Bock und Tabernaemontanus. Selbst die moderne Pharmazie bezieht einen Großteil von Wirk- und Hilfsstoffen noch immer aus dem Pflanzenreich.

Arnika – „Wohlverleih“ bei Verletzungen

Der alte deutsche Name für die Arnika lautet Bergwohlverleih – eine treffende Bezeichnung. Am liebsten wächst die Arnika auf den mageren Böden der Gebirgsregionen, und ein Wohlsein verleiht sie Wanderern, die auf den steilen Pfaden zu Fall kommen. Die Arnika ist nämlich eine ausgezeichnete Heilpflanze bei stumpfen Verletzungen. Außerdem kommt sie in der äußerlichen Anwendung als Gel bei Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautentzündungen sowie bei Venenschwäche zum Einsatz.

Rotklee – Für die Frau

Der Rotklee wächst überall auf nährstoffreichen Böden und gilt als eine gute Futterpflanze. In der Volksmedizin kannte man ihn als Mittel gegen Durchfall, Bronchitis und Magenkatarrh. Wirklich interessant für die Pharmazie wurde er aber erst, als man die Ähnlichkeit zwischen den im Klee enthaltenen Isoflavonen und dem weiblichen Sexualhormon Östrogen erkannte. Rotklee-Extrakt wird erfolgreich und nebenwirkungsarm bei Wechseljahresbeschwerden eingesetzt und dämpft Symp¬tome wie Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen.

Schlüsselblume – Schließt die Bronchien auf

„Primula veris“ heißt das Schlüsselblümchen auf lateinisch, was übersetzt besagt, dass es zu den ersten Frühlingsblumen gehört. Die Schlüsselblume (oder Primel) bekämpft genau die Erkrankung, die während des Übergangs von der kalten zur warmen Jahreszeit häufig auftritt: die Erkältung. Die Inhaltsstoffe regen die Bronchialschleimhaut an, flüssigeren Schleim zu bilden, der leichter abgehustet werden kann. Extrakte aus Primel-Wurzeln und -Blüten werden in Fertigarzneimitteln häufig in Kombination mit Thymian eingesetzt.

Löwenzahn – Alltagsblume für die Verdauung

Alljährlich im April färben sich die Wiesen gelb, wenn der Löwenzahn seine Blüten öffnet. Er gehört zu unseren häufigsten und bekanntesten Wiesenblumen. Aus den noch jungen Blättern kann man einen etwas bitteren, aber wohlschmeckenden Salat zubereiten – und der ist sehr gesund. Die Bitterstoffe regen den Appetit, die Verdauung und die Gallentätigkeit an. Löwenzahn-Extrakte helfen daher bei Magen-Darm-Beschwerden und zur Wiederherstellung der Leber- und Gallenfunktion.

Goldrute – Wasser marsch!

Die Goldrute mit ihren leuchtend gelben Blüten gedeiht auf Wiesen und Weiden und entlang von Straßen und Bächen. Als ein Heilkraut gegen das „Nierenwehe“ beschrieb sie schon vor über 400 Jahren der Arzt und Botaniker Tabernaemontanus. Doch ihren wahren Wert als ausgezeichnetes Durchspülungsmittel bei Blasenentzündungen, Harnsteinen und Nierengrieß entdeckte man erst viel später. Die Inhaltsstoffe regen die Nieren an, mehr Wasser auszuscheiden. Da Goldrutenextrakt zudem auch noch krampflösend ist, hilft er auch bei einer Reizblase.

Kamille – Universell und beliebt

Die Kamille gehört zu den ältesten und populärsten Heilpflanzen. Die Germanen weihten sie dem Licht- und Frühlingsgott Baldur. Schon aus jenen Tagen ist sie als Heilmittel bei Frauenleiden und Magen-Beschwerden bekannt. Doch die Kamille kann noch viel mehr: Die Inhaltsstoffe wirken antibakteriell, austrocknend, beruhigend, blutreinigend, entzündungshemmend, harntreibend, krampflösend, schmerzlindernd, schweißtreibend und tonisierend. Damit ist sie – z. B. als Tinktur, Tee oder Gurgellösung – bei vielen Beschwerden anwendbar, etwa bei Zahnfleischentzündungen, Erkältungen, Ekzemen und Hautkrankheiten, Hämorrhoiden oder schlecht heilenden Wunden.

Fingerhut – Die Herzblume

Beim Fingerhut beweist sich exemplarisch Paracelsus‘ Lehrsatz: „Allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“ Der so wunderschön auf Waldlichtungen blühende Fingerhut ist nämlich eine Giftpflanze, die schon in geringen Mengen zum Herzstillstand führen kann. In noch kleinerer Dosierung sind die in der Pflanze enthaltenen Digitalisglykoside jedoch ein wirksames Herzmittel, das den Herzmuskel kräftigt und die Herzschlagfrequenz beeinflusst.

Johanniskraut – Sonnenkraft für Seelenleiden

Leuchtend gelb blüht das Johanniskraut zur Mittsommerzeit im Juni und Juli. Die Sonnenenergie dieser Sommertage scheint es speichern und in die lichtlose Winterzeit hineintragen zu können, spendet es doch sonnige Zuversicht jenen, die an Depressionen und am Winter-Blues leiden. Die Inhaltsstoffe bewirken, dass stimmungsaufhellendes Serotonin länger im Gehirn aktiv bleibt. In früheren Zeiten nutzte man indes eine andere Wirkung des Johanniskrauts: Als „Rotöl“ wurde es bei Hexenschuss, Gicht, Rheuma, zur Schmerzlinderung und Wundheilung verwendet.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden etwa 28 Prozent aller Pflanzenarten medizinisch genutzt. Von den rund 35.000 genutzten Arzneipflanzen stammen etwa zwei Drittel aus Wildsammlungen.