Die Hagebutte

Ihre Schönheit erwächst aus ihren Gegensätzen. Sie ist kräftig, aber auch weich, wehrhaft doch zart, dornig und gleichzeitig samtig, abweisend stolz und doch verlockend. Sie vereint Venus (Blüte) und Mars (Dornen) in sich und ist wie keine andere Pflanze heilsam bei allen seelischen und körperlichen Beschwerden rund um das Thema Liebe. Solche Gegensätze in sich zu vereinen, ohne sie zu vermischen, sie nebeneinander zu ertragen und zu beherrschen und dabei im Ganzen die reinste Schönheit und Harmonie wieder zu spiegeln, das kann nur die Königin unter den Pflanzen, die Rose.
Der Name Hagebutte, Hundsrose oder Heckenrose, lateinisch Rosa canina, leitet sich vom mittelhochdeutschen Hag, was dichtes Gebüsch bedeutet, und von „butte“, was das Gefäß, in dem die Samen sitzen bezeichnet, ab. Andere Namen für die Wildrose sind Heckenrose, Hundsrose, Feldrose, Hagdorn, Wespeldorn, Purpurmännchen, Waldmännchen oder Haarbutzel. Der Name „Hundsrose“ kommt daher, dass Plinius Secundus der Ältere in seinen Naturkundeschriften die Heilung eines von einem tollwütigen Hund gebissenen Soldaten durch einen Trank aus den Wurzeln der Wildrose beschrieben hatte.

Botanik
Die Wildrose findet man häufig an Waldrändern, Rainen, Gebüschen, Hecken und vor allem sonnigen Standorten. Sie ist eine sehr langlebige Pflanze. Am Dom von Hildesheim wächst eine „tausendjährige Wildrose“, die ein Sohn von Kaiser Karl dem Großen 850 gepflanzt haben soll. Wahrscheinlich ist sie jedoch nur 300 Jahre alt, trotzdem ein sehr hohes Alter für einen Strauch. Die Hagebutte blüht im Juni mit ihren wunderschönen zart duftenden weiß bis rosa-roten Blüten, die über 5 Blütenblätter verfügen. Ihre Früchte reifen im September und werden nach dem Sammeln von den Kernen befreit und geschnitten. Man sollte sie an einem warmen, trockenen Ort oder bei maximal 40 Grad im Backofen trocknen.
Die Äste sind stark mit Stacheln besetzt und verholzen. Im Inneren der Hagebutte befinden sich steinharte Schließfrüchte, sogenannte Nüsschen, die die eigentlichen Früchte der Hagebutte darstellen und keine Samen sind. Die Hagebutte selbst ist eine Scheinfrucht. Das Fruchtfleisch der Hagebutte ist süß-sauer und reich an Vitamin C. Die „Samen“ sind mit Widerhaken versehen und deshalb ist der Inhalt der Hagebutte als Juckpulver bekannt und sollte deshalb nicht mitverarbeitet werden. Ein Rosenblütenblattleben ist nur 48 Stunden lang und das Sterben der Rosenblätter ist ein stummes Loslassen. Die Rosenblätter rollen nicht ein, trocknen nicht aus und hängen auch nicht nach unten. Sie lassen sich vom Windhauch wegtragen oder sinken einfach herab. Die Rose zeigt, wie leicht Sterben sein kann und ist neben Lavendel das wichtigste Aromaöl in der Sterbebegleitung. Interessant auch, dass bei den alten Germanen vor allem Heckenrosenholz für Scheiterhaufen zur Verbrennung der Toten verwendet wurde.

Historie
Die Wildrose ist eine sehr alte Heilpflanze und wird bereits seit 5000 Jahren in der Medizin verwendet. Schon die alten Perser behandelten Herz-, Magen- und Nervenleiden mit Kompressen mit Rosenwasser. Erste, gesicherte Darstellungen einer Rose wurden bei Ausgrabungen auf Knossos in Griechenland gefunden und auf 2000-1700 vor Christus datiert. Theophrastos (372-287 v Chr.), der als Vater der Botanik bezeichnet werden kann, unterscheidet erstmals zwischen „rhodon“, den gefüllten Rosen und „kynosbaton“, den Hundsrosen oder Wildrosen. Die Wildrosenhecke war schon immer eine schützende Umfriedung für die heiligen Bezirke der Kelten und Germanen. Auch Haus und Hof waren umzäunt mit dem natürlichen Schutz der Hagedorne, sodass die Menschen in Ruhe schlafen konnten. Da die Kelchblätter und Blütenblätter das Innere sehr dicht umschließen war die Rose schon immer Symbol von Verschwiegenheit. So findet man oft an Beichtstühlen geschnitzte Rosetten und Stuckrosetten über Tischen.
Im Mittelalter forcierte Karl der Große den Wildrosenanbau in seiner Kaiserpfalz zu medizinischen Zwecken und in vielen Kräutergärten wie auf der Insel Reichenau oder am Disibodenberg in der Pfalz, wo Hildegard von Bingen ihre Pflanzenstudien betrieb, hielt die Wildrose Einzug. Hildegard verwendete die Wildrose bei Kopfweh als folge einer Magenverstimmung und in Form von Kompressen zusammen mit Fenchel und Veilchen bei entzündeten Augen, die vor Schmerz brennen.
Pfarrer Kneipp empfahl Hagebuttenaufkochungen bei Blasen- und Nierenleiden und verwendete die Blütenblätter bei Magenkrämpfen. Auch in Südamerika wird Hagebuttenkaffee aus gerösteten Hagebuttenkernen bei Magenschleimhautentzündungen eingesetzt.

Verwendung
Verwendet werden die Schalen der Hagebutte, die sehr Vitamin C reich sind. Der Gehalt an Vitamin C reicht von 500-2500 mg pro 100 gr. Fruchtschalentrockengewicht abhängig vom Erntezeitpunkt und Ursprungsland, wobei die höchsten Mengen in Hagebutten aus Chile zu finden sind. In früheren Zeiten wurde Hagebuttenmus vor allem in Süddeutschland auf Märkten angeboten, da es regional angebaut und verarbeitet wurde. Heute stammen die Hagebutten, die wir kaufen können vor allem aus Bulgarien und Rumänien. Hagebutten enthalten fünfmal mehr Vitamin C als Zitronen und wurden früher vor allem als Tee bei Erkältungen und Bronchitis angewendet. Neben Vitamin C enthält die Hagebutte Flavonoide, Flavonole wie Rutin und Quercetin, ätherisches und fettes Öl, Carotinoide, Pektin, Saccharose, Gerbstoffe, Apfel- und Zitronensäure, Lycopin, Lecithin und die Vitamine A, B1, B2 und K.
Die letzten Jahre ist in der Forschung zunehmend die entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung der Heckenrose in den Vordergrund getreten. Hier werden vor allem fettlösliche Auszüge aus der Hagebutte verwendet, aber auch Hagebuttenpulver. Vor allem bei Arthrose und rheumatoider Arthritis zeigt die Heckenrose gute Erfolge. Auch in der Gemmotherapie, die mit den Auszügen aus den Triebspitzen verschiedener Pflanzen und Bäume arbeitet, ist die Heckenrose eine sehr wichtige Pflanze. Hier wird sie bei Infekten der Atemwege, des Hals- und Rachenraumes, bei chronischen Entzündungen, Herpes und Arthrose der Kniegelenke verwendet.
In der Bachblütentherapie wird die Wildrose als Blütenessenz „Wild Rose“ für Menschen eingesetzt, die resigniert haben und schenkt neue Lebensfreude und Hoffnung. Bach beschreibt, dass sie ein Energiepotential freisetzt, ein inneres Feuer, ein vitales Interesse am Leben, ein Gefühl innerer Flexibilität und Freiheit und freudigen Willen, sich den inneren Lebensgesetzen hinzugeben.
Auch in der Dermatologie ist die Wildrose eine wichtige Pflanze. Sowohl das ätherische Öl, das Rosenwasser, das bei der Destillation zurückbleibt als auch das fette Öl aus den Samen werden hier verwendet. In Kliniken in Chile wird das kaltgepresste fette Rosenkernöl bei großflächigen Verbrennungen eingesetzt, da es zu einer narbenfreien Abheilung beiträgt. Rosenwasser hat sich bei Neurodermitis Patienten bewährt, die keine fetthaltigen Salben oder Cremes auf ihrer Haut vertragen können und durch das Rosenwasser Linderung von Juckreiz und Rötung erfahren.
Die vielen Körperöle und Lotionen mit Wildrose haben nicht nur pflegende und beruhigende Effekte, sondern wirken auch auf die Psyche. Sowohl das ätherische Öl aus den Rosenblättern als auch das fette Öl aus den Samen schenken Geborgenheit und hüllen den Körper samtig und liebevoll ein. Sie beruhigen Entzündungen und Rötung, transformieren das Feuer in uns, das diese Entzündungen hervorruft und verbinden uns wieder mit unserem Herzen und der Liebe zu allem. Überall wirkt die Wildrose besänftigend, umhüllend und beruhigend, egal, ob es Entzündungen der Augen, der Haut oder der Gelenke sind und dämpft als mildestes Gallemittel unsere überschießende Wut. Als Haustee gegen Erkältungen kann man die Hagebutte zu gleichen Teilen mit Lindenblüten mischen und den fertigen Tee noch mit Zitronensaft versetzen.
Sabine Rosner
Heilpraktikerin