Brauchen wir wirklich alle Omega-3?

Als Therapeutin für klinische Psycho-Neuro-Immunologie (kPNI) beschäftige ich mich in meinem Alltag oft mit Omega-3-Fettsäuren. Besonders das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren spielt dabei eine wichtige Rolle. Doch was macht diese Fettsäuren so essenziell?
Was sind Omega-3-Fettsäuren?
- Omega-3-Fettsäuren: Sie gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die unser Körper nicht selbst herstellen kann und die daher über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Die drei wichtigsten Vertreter sind:
- Alpha-Linolensäure (ALA): Kommt vor allem in pflanzlichen Quellen wie Leinsamen, Chiasamen und Walnüssen vor.
- Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA): Diese finden sich hauptsächlich in fettreichen Fischen wie Lachs, Makrele, Kabeljau und Thunfisch.
Diese Fettsäuren spielen eine zentrale Rolle für viele Prozesse im Körper, von der Zellfunktion bis zur Bekämpfung von Entzündungen.
Die gesundheitlichen Vorteile von Omega-3
Herz-Kreislauf-Gesundheit
Seit Jahrzehnten stehen Omega-3-Fettsäuren im Fokus der Forschung. Mittlerweile gibt es allgemein zu Omega-3-Fettsäuren über 38.000 Studien. Bereits in den 1940er Jahren zeigten erste Studien, dass Omega-3 das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken könnte, insbesondere nach einem Herzinfarkt.
Doch in den letzten Jahren lieferten Untersuchungen teils widersprüchliche Ergebnisse. Besonders 2018 sorgten drei große Studien für Diskussionen: Während zwei keinen klaren Nutzen belegten, zeigte eine dritte mit einer hohen Dosierung von 4 g/Tag eine deutliche Reduktion von Herz-Kreislauf-Ereignissen. Experten vermuten, dass niedrige Dosierungen (<1 g/Tag) und die Kombination mit anderen Medikamenten die widersprüchlichen Ergebnisse erklären könnten. Heutzutage wird die Messung des Omega-3-Spiegels im Blut (der sogenannte Omega-3-Index) als wichtiger Marker betrachtet. Fachgesellschaften empfehlen gezielt, auf eine ausreichende Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren zu achten, um die Herzgesundheit zu fördern.
Ein entscheidender Fortschritt in der Forschung zu Omega-3-Fettsäuren ist somit die Einführung des sogenannten Omega-3-Index sowie der Messung des Omega-6 zu Omega-3-Verhältnisses. Der Omega-3-Index misst den Anteil von EPA und DHA im Blut und bietet eine zuverlässige Grundlage, um das Risiko für koronare Herzkrankheiten (KHK) besser zu bewerten. Werte unter 4 % gelten als Risikofaktor, während ein Index von über 8 % mit einem deutlich geringeren Risiko verbunden ist – Studien zeigen, dass dies die Gefahr einer tödlichen KHK um etwa 35 % senken kann. Im Gegensatz zu unspezifischen Ansätzen wie dem durchschnittlichen Fischkonsum ermöglicht der Omega-3-Index eine personalisierte Diagnostik und Therapie. Als Zielwert in klinischen Studien kann er zudem helfen, uneinheitliche Ergebnisse zu vermeiden und die Debatte über den Nutzen von Omega-3 zu klären.
Entzündungshemmende Eigenschaften
Chronische Entzündungen stehen in Zusammenhang mit Krankheiten wie Arthritis, Diabetes und Herzkrankheiten. EPA und DHA wirken entzündungshemmend, indem sie die Produktion von entzündungsfördernden Stoffen hemmen und gleichzeitig entzündungshemmende Mediatoren fördern. Prof. Dr. med. Clemens Schacky betont, dass ein Omega-3-Index von 11–15 % bei chronischen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden führen kann.
Gehirngesundheit
Studien legen nahe, dass Omega-3-Fettsäuren die geistige Gesundheit fördern können, indem sie die Funktion von Nervenzellen unterstützen und das Risiko von neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz reduzieren. Prof. Dr. med. Clemens Schacky fasste es einmal drastisch zusammen: „In der zweiten Hälfte der 80er gibt es nur drei Optionen: tot, dement oder einen guten Omega-3-Spiegel.“
Das menschliche Gehirn besteht zu etwa 10–15 % aus DHA. DHA ist ein zentraler Bestandteil der Zellmembranen im Gehirn und trägt zur Flexibilität und Effizienz der Signalübertragung zwischen den Neuronen bei. Studien zeigen, dass ein ausreichender DHA-Spiegel die kognitive Funktion unterstützt, das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen senkt und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns in der Schwangerschaft und Kindheit spielt. Ein Mangel an DHA kann hingegen die Gehirnfunktion negativ beeinflussen.
Omega-3 und die Fortpflanzung
Omega-3-Fettsäuren spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle für die Fruchtbarkeit von Männern und Frauen. Besonders DHA ist bei Männern essenziell, da Spermienzellen zu etwa 60 % aus DHA bestehen. Diese Omega-3-Fettsäure verbessert die Beweglichkeit der Spermien und unterstützt deren Fähigkeit, die Eizelle zu befruchten. Bei Frauen fördern Omega-3-Fettsäuren die Durchblutung der Gebärmutter und schaffen optimale Bedingungen für die Einnistung der befruchteten Eizelle.
Der Bedarf an Omega-3
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt:
- Erwachsene: 250 mg EPA und DHA täglich. Was einige Studien belegen, dass dies deutlich zu wenig ist. Auch bei der Durchführung von eigenen Messungen, bei Klientinnen, stelle ich immer wieder fest, dass diese vorgegebene Dosierung zu gering ist, um auf einen Omega-3-Index von 8 – 10 zu kommen.
- Schwangeren und Stillenden wird zumindest eine höhere Einnahme empfohlen. Dies ist auch enorm wichtig, um die Gehirn- und Augenentwicklung des Kindes zu fördern. Auch hier sind Messungen des Omega-3-Index und der Omega-6- zu Omega-3-Balance wichtig, um eine korrekte Dosierung zu ermitteln.
Die Praxis zeigt: 9 von 10 meiner Klient:innen haben einen eklatanten Omega-3-Mangel. Eine höhere Dosierung – angepasst an den individuellen Bedarf – ist hier empfehlenswert.

Warum Fisch allein oft nicht reicht
Es ist schwierig, ausreichend Omega-3 nur über Fisch zu sich zu nehmen. Viele Menschen essen nicht genug Fisch, oder sie greifen auf Fisch aus Aquakultur zurück, der oft weniger Omega-3 enthält als wild gefangener Fisch. Zubereitungsmethoden und die Qualität des Fisches können den Omega-3-Gehalt zusätzlich mindern. Für viele ist daher die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln eine sinnvolle Notwendigkeit.
Darüber hinaus spielt auch die Nachhaltigkeit eine Rolle. Die Überfischung unserer Meere und die Umweltbelastung durch Fischzucht machen es zunehmend schwieriger, hochwertige Quellen für Omega-3 zu finden. Wild gefangener Fisch hat zwar oft einen höheren Omega-3-Gehalt, doch die Belastung mit Schwermetallen und anderen Schadstoffen kann ein Risiko darstellen. Daher ist es wichtig hier auf gute Produkte zurückzugreifen.
Was macht ein gutes Omega-3-Produkt aus?
Der Markt für Omega-3-Produkte ist groß, aber nicht alle sind von hoher Qualität. Hier sind einige Kriterien für die Auswahl:
- Frei von Schwermetallen und Schadstoffen: Besonders wichtig bei Fischölen, da diese Stoffe sich im Fettgewebe von Fischen anreichern können.
- Verarbeitung unter Sauerstoffentzug: Um die Oxidation zu vermeiden, sollte das Öl direkt nach dem Fang unter Ausschluss von Sauerstoff verarbeitet werden.
- Nachhaltiger, kontrollierter Fischfang: Produkte sollten aus Quellen stammen, die die Meeresumwelt respektieren und nachhaltige Praktiken fördern.
- Niedriger Totox-Wert: Ein Wert von 4–6 spricht für eine geringe Oxidation und damit für Frische und Qualität.
- „Full Spectrum“-Ansatz: Das Produkt sollte alle natürlichen Bestandteile enthalten, ohne diese zu konzentrieren oder zu verändern.
- Zusatz von Antioxidantien: Hochreines Bio-Olivenöl, reich an Omega-9-Fettsäuren, kann die Haltbarkeit und Qualität des Produkts verbessern.
Die Bedeutung des Omega-3-Indexes
Um den individuellen Bedarf zu ermitteln, empfiehlt sich eine regelmäßige Kontrolle des Omega-3-Indexes. Dieser Wert gibt Auskunft über den Anteil von EPA und DHA in den Zellmembranen. Ein optimaler Wert liegt bei etwa 8–12 %. Bei einem unausgewogenen Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 – häufig durch eine westliche Ernährung geprägt – kann der Omega-3-Index jedoch deutlich darunter liegen.
Eine ausgewogene Versorgung ist nicht nur für die Herzgesundheit, sondern auch für die allgemeine Zellfunktion entscheidend. Omega-3-Fettsäuren fördern die Flexibilität der Zellmembranen und unterstützen damit viele biologische Prozesse, von der Signalübertragung bis zur Immunabwehr.
Fazit
Omega-3-Fettsäuren sind für die Gesundheit unverzichtbar, insbesondere für Herz, Gehirn und bei chronischen Entzündungen. Da der menschliche Körper diese nicht selbst herstellen kann, ist eine ausreichende Zufuhr über die Nahrung oder hochwertige Nahrungsergänzungsmittel essenziell. Eine regelmäßige Kontrolle des Omega-3-Indexes und des Verhältnisses von Omega-6 zu Omega-3 kann dabei helfen, die optimale Versorgung sicherzustellen.
Wie Prof. Dr. med. Clemens Schacky sagt: „Kein Leben ohne Omega-3.“ Und in Anbetracht der zahlreichen gesundheitlichen Vorteile ist dies mehr als nur eine plakative Aussage – es ist eine medizinische Wahrheit, die jeder für sich ernst nehmen sollte.
Dein Körper wird es dir danken!
Daniela Schwarz