Aus der Kräuterecke

Der Löwenzahn

Für uns ist es selbstverständlich, dass auf allen Wiesen Löwenzahn steht und wir sind uns seiner gelben Leuchtkraft, die den Frühling ankündigt und seiner großen Schönheit meist nicht bewusst. Wolf Dieter Storl beschreibt in einem seiner Bücher, wie sein Zimmergenosse, ein Mitstudent aus Afrika, im Frühjahr ganz hingerissen war von den Löwenzahnblüten und meinte, die Gärtner auf dem Campus hätten gut gearbeitet, diese schönen Blüten so gut über den Rasen zu verteilen.

Der Löwenzahn, lateinisch Taraxacum officinale gehört zur Familie der Korbblütler wie auch Arnika, Kamille, Gänseblümchen oder Ringelblume. Er ist ein Kosmopolit und überall auf der Erde zu finden. Dabei fühlt er sich auf brachliegenden Böden wie Wegrändern, Schutthalden und Weideland am wohlsten und schafft es sich auch in der kleinsten Ritze zu verankern und auszutreiben. Für medizinische Zwecke werden sowohl das Kraut mit Blüten als auch die Wurzel verwendet.

Viele von uns kennen ihn von Spielen aus ihrer Kindheit, bei denen man die Stiele aufschlitzte und aus den sich wie Locken kringelnden Teilen Ketten, Ohrringe oder Brillenimitationen bastelte. Selbst Goethe beschäftigte sich in seinen morphologischen Schriften mit dieser Tendenz des Löwenzahns Spiralen zu bilden.

Der Name Löwenzahn

Über 500 andere Namen bezeichnen den Löwenzahn im volkstümlichen Gebrauch z. B. Bettpisser (wegen seiner harntreibenden Wirkung), Kuhscheiß (Kühe bekommen auf große Mengen Durchfall) oder Blindblume (man glaubte, die Fruchthaare machten blind, wenn man sie ins Auge bekommt).

Der Name Taraxacum kommt entweder aus dem Arabischen, tarakshaquum, und bedeutet bitteres Kraut oder von griechisch “taraxacis“ und „akeo mai“, was zusammen übersetzt so viel wie „ich heile Entzündungen“ bedeutet. Seinen deutschen Namen verdankt er seinen Blättern, die so tief gesägt sind, dass sie an die Zähne eines Löwen erinnern.

Erste Beschreibungen über die Heilwirkung des Löwenzahns finden wir in Tausende Jahre alten Heilbüchern der chinesischen Medizin, in denen er als „Po gong ying“ beschrieben wird. Er galt dort als kühlende, entgiftende und entschleimende Pflanze, die emotionale Stauungen auf der Leber löst und Kraft verleiht, sodass viele ihn als europäischen Ginseng bezeichnen. Hildegard von Bingen erwähnt ihn nicht, erst in den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts taucht er wieder auf.

Löwenzahnkapern

Zutaten:
100 gr. Löwenzahnblüten
100 ml Apfelessig
1 gestrichener TL Salz
2 1/2 TL Agavendicksaft
1 Zweig Estragon
Ein paar Pfefferbeeren

Zubereitung:
Die Löwenzahnknospen waschen und abtropfen lassen. 100 ml Essig und 100 ml Wasser mit Salz, Estragon, Pfefferbeeren und Agavensirup 1 Minute aufkochen und in sterilisierte Schraubgläser abfüllen. Nach dem Zuschrauben einige Minuten auf den Deckel stellen.

Vielfältige Inhaltstoffe

Der Löwenzahn enthält eine große Anzahl an Heilstoffen und hat eine umfassende Wirkung auf unseren Körper. Seine blutreinigende Wirkung macht ihn zur idealen Pflanze für eine Frühjahrskur.

Er enthält Bitterstoffe, Cholin, Flavonoide, das Präbiotikum Inulin, Vitamin A, C, E und fast alle B- Vitamine, Mineralien wie Calcium, Natrium, Kieselsäure, Magnesium, Schwefel, Kalium und Eisen. Er wirkt appetitanregend und verdauungsfördernd und stärkt die Leber. Das Cholin regt die Gallenblase und den Darm an und macht den Löwenzahn zum idealen Kraut für Menschen, die zu Verstopfung neigen.

Er wirkt außerdem anregend auf die Nieren, vor allem durch seinen hohen Kaliumgehalt und unterstützt die Behandlung von chronisch rheumatischen und arthritischen Erkrankungen und auch Hautleiden. Der Löwenzahn liebt stickstoffhaltige Böden und ist wie die Brennnessel ein Kulturfolger, der dort, wo zu viel gedüngt wurde, den Stickstoff aus dem Boden aufnimmt.

Wenn wir uns selbst zu viel gedüngt haben, also zu viel und zu gut gegessen haben, hilft er, den Stoffwechsel anzuregen und uns zu entschlacken. Die Leber ist das Organ in uns, das sämtliche Stoffe, die wir aufnehmen so umbaut, dass wir sie verbrauchen und einbauen können, oder, wenn wir sie nicht brauchen oder sie giftig sind, so umbaut, dass wir sie wieder ausscheiden können.

Wandlungs- und Umbauorgan schlechthin

Auch der Löwenzahn drückt in seiner Gestalt und seinem Wachstumszyklus diese Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit aus und vollzieht die Wandlung vom fest mit einer Pfahlwurzel verankerten Kraut zur Pusteblume, die vom Wind weggetragen wird.

Diese Wandlungsfähigkeit zeigt sich auch in der Blattform, es gibt kein Blatt, das deckungsgleich mit einem anderen wäre. Im Schatten sind die Blätter fast ungezähnt, bei starker Sonnenexposition scharf gezähnt.

Auch auf geistiger Ebene hilft uns der Löwenzahn Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit zu zeigen. Menschen, die den Löwenzahn brauchen sind grundsätzlich optimistisch, arbeitsfreudig und unternehmungslustig, überschätzen aber oft ihre Leistungsfähigkeit und verausgaben sich zu sehr.

Sie wollen wichtige Dinge in der Welt bewegen und haben genaue Vorstellungen, wie etwas sein soll oder ablaufen soll. Nicht immer aber kommt es so, wie man will. Bei Abweichungen zwischen Vorstellung und Realität reagieren diese sonst oft sensiblen und einfühlsamen Menschen mit Wutausbrüchen, Ärger und Bitterkeit. Dies führt oft zu Störungen der Leberfunktion und des Galleflusses. Auch Problemen mit der Halswirbelsäule können daraus hervorgehen, man kann weder links noch rechts schauen, weil man nur auf das fixiert ist, was man sich vorgestellt hat. Die Möglichkeit von einem anderen Blickwinkel auf die Sache zu schauen fehlt. Die Folge davon sind Verspannungen, Verkrampfungen, Nervosität, Frustration und Verbitterung. Es fehlt an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.

Der Kosmopolit schafft es, sich auch in den kleinsten Ritze zu verankern.

Fazit

Der Löwenzahn lässt uns wandlungs- und anpassungsfähig bleiben, lässt Erstarrtes und Gestautes wieder fließen und lässt uns dadurch zu unserer früheren Kraft zurückfinden. Er bringt alles wieder zum Fließen sei es die Galle, den Harn oder auch die Verdauung und verleiht Lebenskraft wo vorher Müdigkeit war. Gerade für Menschen, die unter Frühjahrsmüdigkeit leiden, aber auch für Menschen, die von chronischer Müdigkeit geplagt sind ist er ein Segen.

Als große Leber-Galle Heilpflanze bestätigt der Löwenzahn auch hier seine Wirkung gemäß dem Satz aus der traditionellen chinesischen Medizin: „Der Schmerz der Leber ist Müdigkeit“. Er ist eine Pflanze für langwierige Krankheitsprozesse und Therapieblockaden. Bei allen Erkrankungen der Leber wie Leberschwellung, Hepatitis, Gelbsucht, Hämorrhoiden oder Vergiftungen ist er angezeigt, auch bei Diabetes kann er durch seinen hohen Inulingehalt unterstützend eingesetzt werden. Durch seine Harnfluss anregende Wirkung ist er ideal bei Harnwegsinfekten, Gicht, Nierengrieß, Ödemen und rheumatischen Erkrankungen und durch seine appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung hilft er bei Völlegehfühl, Blähungen, Verstopfung und Appetitlosigkeit.

Gerade im Frühjahr sollten wir Löwenzahn oft als Salat genießen. Neben Salat kann man Löwenzahn auch als Tee, Tinktur oder Saft verwenden und seinen Körper damit entschlacken. Man kann auch die Wurzeln gereinigt und im Ofen geröstet als Kaffeeersatz ganz ohne Koffein verwenden ähnlich wie die Menschen in Kriegszeiten dazu die Wurzeln der Wegwarte unter dem Namen Muckefuck verwendeten.

Der Löwenzahn sollte im April und Mai gesammelt werden, die Wurzeln erntet man am besten von September bis November. Wenn man im Herbst Wurzeln ausgräbt und in Kästen mit sandigem Boden pflanzt, kann man sie an einem kühlen Ort auch über den Winter zum Treiben bringen.

Ich hoffe, sie machen viele gute Erfahrungen mit dem Löwenzahn und genießen die Leuchtkraft seiner Blüten bei jedem Spaziergang.

Sabine Rosner