Erklär mir mal

Schröpfen

Das Schröpfen ist eine sehr beliebte traditionelle naturheilkundliche Therapiemethode, die Patienten in kurzer Zeit eine Erleichterung und Verbesserung ihres Krankheitszustandes bringen kann. Archäologische Funde belegen, dass der Mensch schon in der Steinzeit „geschröpft“ hat, indem die Haut über eiternden Wunden (Furunkel) aufgeschnitten und ausgesaugt wurde. Im alten Ägypten wurden Schröpfgläser aus Bambus oder Tierhörnern verwendet, um verschiedenste Beschwerden zu behandeln. Heute wird die Technik, einen Unterdruck an der zu bearbeitenden Stelle zu erzeugen, mit extra dafür hergestellten, präzisen Schröpfgläsern umgesetzt, die aus Glas, Plastik oder Silikon sind. Hippokrates beschrieb das Schröpfen als eine „naturheilkundliche, entstauende Therapie“, Hufeland als ein „sehr wirksames Hautreinigungsverfahren“. Heilpraktiker, die sich auf Aschner-Ausleitungsverfahren spezialisiert hatten, brachten das Schröpfen mehr und mehr in ihre Praxen, mit großem Erfolg.

Medizinische Anwendungen im 17. Jahrhundert: links das Schröpfen, rechts Blutabnahme und Aderlasse.

So funktioniert Schröpfen

Schon früh wurde festgestellt, dass bestimmte Symptome an definierten Körperstellen Hautsensationen verursachen. Die Anwender entwickelten eine Art Lexikon, sodass sich immer fundiertere Aussagen über Symptome und Befunde tätigen ließen. Heutzutage können wir die Wirkung der Schröpfung nachvollziehen und herleiten. Über die Dermatome (Hautbereiche, die von sensiblen Fasern einer Nervenwurzel versorgt werden) lassen sich seit etwa 100 Jahren definierte Hautareale inneren Organen zuordnen.

Beim Schröpfen werden gezielt kleine Verletzungen der Haut herbeigeführt, die zu einer kontrollierten Zellzerstörung und einer keimfreien Entzündungsreaktion führen. Dadurch weiten sich die lokalen Blutgefäße, Mastzellen sammeln sich, und es werden Substanzen wie Histamin, Serotonin, Prostaglandine und Leukotriene freigesetzt. Diese Vorgänge aktivieren Schmerzrezeptoren, die verstärkte Signale über die Nervenbahnen an das zentrale Nervensystem weiterleiten. Die erhöhte Aktivität des Schmerzwahrnehmungssystems kann Stunden bis Tage andauern.

Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) soll Schröpfen den Energiefluss des Qi wieder ins Gleichgewicht bringen. Es wird angenommen, dass dabei Störungen der Körpersäfte behoben und schädliche Stoffe ausgeleitet werden.

Voruntersuchung

Vor der Behandlung führt der Schröpftherapeut, ein Heilpraktiker oder Arzt, eine körperliche Untersuchung durch, wobei er nach Verquellungen, Einziehungen, Asymmetrien und anderen Veränderungen der Haut sucht. Auch tastet er den Körper ab, um sich einen Eindruck über die Durchblutungsverhältnisse und die Muskulatur zu verschaffen. Je nach Ergebnis werden die Schröpfgläser entsprechend platziert. Oft wird die direkt schmerzende Körperstelle geschröpft. TCM-Therapeuten bevorzugen bestimmte Akupunkturpunkte.

Arten des Schröpfens

Bei der Trockenschröpfung wird ein Schröpfkopf aufgesetzt, man verzichtet auf die bewusste Hautritzung. Der Schröpfkopf saugt einen Haut-/Unterhautgewebeteil solange an, bis etwas Lymphe (wässrige, milchig getrübte Flüssigkeit aus den Lymphgefäßen des Körpers) austritt oder sich die Haut bläulich verfärbt. Bei der Schröpfkopfmassage reibt man die Haut zuvor mit gutem Öl ein, wonach der trocken aufgesetzte Schröpfkopf über die Haut gezogen wird, sodass Extravasate (Austritt von Blut oder Lymphflüssigkeit aus einem Gefäß und seine anschließende Verteilung im Gewebe) auftreten. Kleine Äderchen im Unterhautgewebe, in denen venöses Blut stehengeblieben ist, reißen auf. Bei der blutigen Schröpfung wird die Haut mit kleinen Messerchen geritzt, sodass Blut austritt. Über diese Stellen setzt man den Schröpfkopf auf. In diesen entleert sich das im verspannten Gewebe stehengebliebene Blut (zwischen 5 und 200 ml). Diese Methode wird nur auf der hinteren Körperseite praktiziert. Beim kosmetischen Schröpfen soll die durchblutungs- und stoffwechselanregende Wirkung die Hautstruktur verbessern und/oder Cellulite glätten. Auch das Gesicht kann geschröpft werden, hier werden hautstraffende, faltenreduzierende Effekte berichtet.

Indikationen

Schröpfen kann gut helfen bei:

  • Antriebslosigkeit
  • Asthma
  • Atemwegserkrankungen
  • Bluthochdruck
  • depressiven Verstimmungen
  • Gallenleiden
  • Hexenschuss
  • Karpaltunnelsyndrom
  • Kniegelenksarthrose
  • Kopfschmerzen
  • Leberlenleiden
  • Muskelverspannungen
  • Nervenschmerzen
  • Rückenschmerzen
  • Schulter-Arm-Syndrom
  • Tennisellenbogen
  • Ungleichgewicht von Yin und Yang
  • Verdauungsstörungen
  • Wechseljahresbeschwerden

Materialien

Die Schröpfgläser mit Ball werden nur zur Massage verwendet. Großvolumige Gläser erzielen starken Unterdruck, kleine lassen sich gut an Hautstellen mit starker Faltenbildung verwenden. Kleine Glasglocken werden hauptsächlich an Rücken, Armen und Beinen angebracht. Durch das Absaugen der Luft aus den Gefäßen entsteht Unterdruck, der die Durchblutung an der entsprechenden Körperstelle fördert, wodurch sich Verspannungen und Muskelverhärtungen lösen und Schmerzen reduziert werden. Toxine werden aus dem Körper entfernt und das Immunsystem gestärkt.

Nebenwirkungen und Risiken

Schröpfen wird in der Regel von Patienten gut vertragen. Oft entstehen blaue Flecken oder Streifen, die aber ein erwünschter Teil der Behandlung sind und ein paar Tage sichtbar bleiben. Manche berichten nach dem Schröpfen über das Gefühl eines Muskelkaters. Für das Schröpfen im Gesicht sollten speziell dafür entwickelte Schröpfgefäße verwendet werden. Beim blutigen Schröpfen ist es wichtig, strenge Hygienemaßnahmen einzuhalten, um Infektionen sicher zu vermeiden. Bei der Einnahme von Blutgerinnungshemmern, erhöhter Blutungsneigung, akuten Entzündungen oder Verletzungen der Haut, Ödemen, schweren Herzerkrankungen, allergischen Veränderungen der Haut nach Strahlentherapie und während der Schwangerschaft sollte auf das Schröpfen verzichtet werden.

Wie gesagt, sind blaue Flecken nach dem Schröpfen häufig anzutreffen und völlig normal. Sie können als Teil der Therapie betrachtet werden. Um sie nach der Schröpfsession wieder schnell loszuwerden, empfehlen die Therapeuten Kühlung in Form von kalten Kompressen oder Eispackungen, um die Schwellungen und Entzündungen zu reduzieren, Vitamin C und Rutin, welche die Blutgefäße stärken, Arnika-Salbe, um die Durchblutung zu fördern, oder warme Umschläge, die einen Tag nach der Behandlung aufgelegt werden, um den Blutabbau zu beschleunigen. Das Hochlagern der betroffenen Bereiche trägt ebenso dazu bei, die Heilung zu fördern.

Ausleitende Verfahren

Schröpfen zählt zu den ausleitenden Verfahren der Komplementärmedizin, wobei es um die Entgiftung der Körpersäfte geht, einem Konzept der Humoralpathologie. Zu ihnen gehören neben dem Schröpfen auch Aderlass, basische Bäder, Baunscheidttherapie, Blutegeltherapie, Cantharidenpflaster, Colon-Hydro-Therapie. Einläufe, (Heil-)Fasten, Schwitzkuren und Wickel. Früher betrachtete man die Funktionen des Körpers als ein Wechselspiel verschiedener Säfte. Innere Krankheiten entstanden folglich aufgrund von Ungleichgewichten, Verunreinigungen und Vergiftungen dieser Körpersäfte. Saftüberschuss galt als Ursache für jedwede Beschwerden, und die Heilkundigen versuchten, dem Körper krankmachende Säfte auszuleiten. Die Hauptrichtung der Therapie geht von innen nach außen; der Therapeut sorgt für Öffnung, Abfluss und Druckausgleich des verstopften Leibes. Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) und Bernhard Aschner (1883-1960) haben zu Ihrer Zeit die ausleitenden Verfahren wieder populär gemacht.

Paracelsus (1493-1541) beschrieb die ausleitenden wie folgt: „Was nicht rein ist, was nicht Fleisch und Blut ist, hat zwei Ausgänge: durch den Stuhl und durch den Harn. Es kommt also zuerst auf die Kräfte des Magens an. Diese sollen den Tartarus und die Nahrung voneinander scheiden und den Tartarus austreiben, durch den Stuhl, das ist durch den Kot, der nichts als nur Schlacke und Tartarus sein soll. Wenn dies nicht geschieht, kann sich ein Teil an den Gedärmen ansetzen, das ist die Schlacke. Der Tartarus selbst scheidet sich von der Schlacke und tritt durch die Harnwege aus.“

Wie kommen Ablagerungen ins Gewebe?

Täglich werden wir mit zahlreichen chemischen Verbindungen konfrontiert. Unsere Nahrung enthält verschiedene Toxine, dazu kommen Weichmacher, Amalgam u.v.m.. Über Hautpflegeprodukte, Wasch- und Reinigungsmittel nehmen wir weitere Chemikalien auf. In Städten ist die Belastung mit Feinstaub hoch. Die Schwermetalle können unser Zentralnervensystem schädigen.

Unsere extrazelluläre Matrix dient Stoffwechselprodukten als Parkplatz, nicht abbaubare Toxine und andere Schadstoffe lagern sich im Zellzwischenraum ab, es kommt zur Verschlackung des Bindegewebes. Die Folgen können gravierend sein: Übersäuerung des Gewebes, Radikalbildung, die zu chronischen Entzündungsherden führt, weniger Wasserbindungsfähigkeit des Gewebes bewirkt Faltenbildung und Hautalterung, ungenügende Versorgung der Organzellen mit Sauerstoff, Nährstoffen und Informationen, ungenügende Entsorgung der Abfallprodukte sowie schlechtere Abwehrfunktion im Gewebe.

Am Ende der Kette stehen chronische Krankheiten. Zur Entlastung des Körpers können ausleitende Verfahren wie das Schröpfen eingesetzt werden.

Schröpfzone

Kommt es zum Austritt roter Blutkörperchen aus den Blutgefäßen in das Bindegewebe der Haut, sprechen wir von der Schröpfzone. Die Blutkörperchen werden durch die intakte Gefäßwand gesogen, ähnlich wie bei einem Knutschfleck. Dieser Prozess ist ungefährlich, sogar therapeutisch erwünscht. Der Organismus reagiert auf die Ansammlung roter Blutkörperchen mit einer tagelangen Immunreaktion. Die Durchblutung vermehrt sich und eine Durchwärmung im Bereich von Schröpfzone und Umgebung tritt ein. Schlacken- und Schmerzstoffe werden aus dem Gewebe transportiert, Gelenkbeschwerden bessern, Muskelverspannungen lösen sich.

„Schröpfen ist zu jeder Zeit gut und nützlich, damit die schädlichen Säfte und Schleime, die sich im Menschen befinden, vermindert werden. Die Schleime sitzen zum größten Teil zwischen Haut und Fleisch, und sie sind dem Menschen besonders nachteilig.“ (Hildegard von Bingen 1098-1179)

Medizinische Vorteile einer Schröpfkopfbehandlung

  • Aktivierung der Flüssigkeitszirkulation
  • Aktivierung des Stoffwechsels
  • Auflösung von Ödemen und Schwellungen
  • Befreiung aufgestauter Schweiß- und Talgdrüsen
  • Beseitigung von Stagnationen
  • Desoxydation
  • Erhöhung der Haltbarkeit weicher Gewebe
  • Immunitätsstärkung
  • Wiederherstellung der Funktionen von Muskeln und Sehnen

Schröpfen und Krankenkassen

Die Kosten für Methoden der Traditionellen Chinesischen Medizin, und damit auch für Schröpfen, werden von den gesetzlichen Krankenkassen zurzeit noch nicht übernommen. Viele private Krankenversicherungen punkten durch die Kostenübernahme. Wer gesetzlich versichert ist, sollte eine Heilpraktiker-Zusatzversicherung abschließen, welche TCM-Behandlungen übernimmt, sofern diese nach dem GebüH (Gebührenverzeichnis für Heilpraktiker, bei Behandlung durch einen zugelassenen Heilpraktiker) oder GOÄ bei Behandlung durch Ärzte für Naturheilverfahren abgerechnet werden. Eine solche Zusatzversicherung kostet für Kinder etwa 10 Euro im Monat, für Erwachsene etwa 20 Euro im Monat.

Positive Studienergebnisse

Trockenes Schröpfen führte nach fünfmaliger Anwendung zu einer Schmerzreduktion von 42,6 Prozent. Die Wirkung entfaltete sich sukzessive. In der Literatur gibt es zahlreiche Patientenberichte, die nach längerer Anwendung schmerz- bzw. beschwerdefrei waren. Neben dem körperlichen Schmerz kam es zur Verbesserung zahlreicher psychischer Faktoren, u.a. der sozialen Funktion, der Vitalität und des psychischen Wohlbefindens. Durch die Schröpfbehandlung verkleinerten sich die Schmerzareale, sodass es den Patienten leichter fiel, den Schmerzursprung zu lokalisieren. Aufgrund der entspannenden Wirkung beschrieben sich viele Patienten während und nach der Schröpfbehandlung als besonders relaxt. Neben der Schmerzlinderung wurde berichtet, dass die Muskulatur sich gelockert und die Beweglichkeit verbessert hätte, dass die Patienten unter weniger Kopfschmerzen litten und ein besseres Befinden verspürten.

HP Psy Abbas Schirmohammadi
HP Kian Schirmohammadi