Der Weißdorn

Menschen, die Vertreter der Rosengewächse als Heilmittel brauchen, übertreiben es oft in Liebesdingen, sie versuchen alles zu geben und sind zuckersüß zu ihren Liebsten. Ihre Vorstellung von der Liebe ist oft sehr naiv. Sie neigen dazu die Liebe zu idealisieren, sie als rein und unberührt zu sehen. Sie sind meist sehr romantisch und überzeugt, dass die Liebe auf ewig halten muss. Ihr Verhalten in Liebesbeziehungen ist oft sehr einnehmend und sie nehmen dem Partner sprichwörtlich die Luft zum Atmen. Auch sie selbst können das Gefühl haben, keinen Raum und keine Luft zum Atmen zu haben, weil alles in ihrem Leben sich nur um die Liebe dreht. So ist es nicht verwunderlich, dass die einzigen giftigen Stoffe, die die Rosengewächse produzieren, Blausäureverbindungen sind, die manche Vertreter wie Pfirsich, Sauerkirsche, Aprikose oder Pflaume in ihren Kernen enthalten und die Atemnot und Blaufärbung der Haut verursachen können. Bei so viel Idealisierung der Liebe schlägt die Realität oft durch Enttäuschungen, nicht erwiderte Liebe, Zurückweisungen und Trennungen zurück und es baut sich ein emotionaler Druck auf, der zu Herzbeschwerden und Kurzatmigkeit führen kann. Es kann sich ein Gefühl von Leere und ausgenutzt zu sein breit machen, was sie reizbar und ärgerlich macht und ihre Dornen hervortreten läßt.
Doch nun zum Weißdorn, die Herzpflanze unter den Rosengewächsen. Es gibt botanisch gesehen zwei Vertreter, den eingriffeligen Weißdorn, Crataegus monogyna, und den zweigriffeligen Weißdorn, Crataegus laevigata, die beide medizinisch als „Weißdorn“ verwendet werden und in ihrer Wirkung gleich sind. Der Name „Weißdorn“ bezieht sich auf die weißen Blüten dieser Pflanze und ihre sehr langen, spitzen Dornen. Der lateinische Name „crataegus“ leitet sich vom griechischen „krataios“= „fest“ ab und bezieht sich auf das harte Holz des Weißdorns.

Der Weißdorn kann bis zu 10 Meter hoch und bis zu 500 Jahre alt werden und ist im Frühjahr übersät mit seinen wunderschönen weißen Blüten, die auf seine gefühlsbetonte, emotionale Seite hinweisen. Seine herzförmigen, kurz gestielten Blätter machen uns auf seine Wirkung bei Herzerkrankungen aufmerksam. Er hat bis zu 2 cm lange, spitze Dornen, die seine psychische Verletzlichkeit und seine hölzerne Verstocktheit, die man oft bei Herzpatienten findet, widerspiegeln. Im Herbst bekommt er braun-rote kugelige bis eiförmige Früchte, die genauso wie die Blüten und Blätter medizinisch verwendet werden. Der Weißdorn, oder auch Hagedorn genannt, diente früher wie die Heckenrose als lebender Zaun und bot Schutz für die Schlafstätten, die Einhegungen (von althochdeutsch „hag“), von Mensch und Tier oder fungierte als Ackerabgrenzung oder Windschutzhecke.
Im Altertum wurde der Weißdorn nicht als Heilpflanze erwähnt, erst im Mittelalter finden wir Aufzeichnungen zur Verwendung bei Gicht, Seitenstechen, Koliken, Durchfall oder Blasensteinen. Erst zum Ende des 19. Jahrhundert beschrieb der irische Arzt Dr. Green die hervorragende Wirkung des Weißdorns bei Herzerkrankungen.
Der Weißdorn enthält als Inhaltsstoffe Flavonoide, Procyanidine, biogene Amine, Kalium, Calcium, Phosphor, ätherisches Öl, Glykoside und Bitterstoffe. Im Gegensatz zu anderen Herzpflanzen wie Fingerhut, Maiglöckchen oder Oleander enthält er keine giftigen Substanzen und verbessert sogar bei gleichzeitiger Einnahme mit dem Fingerhut dessen Verträglichkeit. Der Weißdorn ist für seine herzstärkende, blutdrucksenkende, Nerven und Kreislauf stärkende und durchblutungsfördernde Wirkung bekannt. Vor allem die Procyanidine und Flavonoide sind für seine drei Hauptwirkungen verantwortlich, die Verbesserung der Kontraktionskraft des Herzmuskels, die Erweiterung der Herzkranzgefäße, was zu einer Steigerung der Durchblutung am Herzen und zu einer besseren Sauerstoffversorgung des Herzmuskels führt und die Harmonisierung und Regulierung des Herzrhythmus. Sowohl bei nachlassender Herzleistung im Alter, als auch bei stressbedingten Herzbeschwerden oder geschwächtem Sportlerherz sind all diese Wirkungen von großem Vorteil. Damit ist der Weißdorn die ideale Pflanze zur Vorbeugung und Therapie von Herzbeschwerden, egal, ob es sich um Blutdruckstörungen, Herzinsuffizienz, Angina pectoris oder der Nachsorge nach Herzinfarkt handelt.
Er ist das Mittel der ersten Wahl für das Altersherz und empfiehlt sich vorbeugend – in Intervallen genommen – im höheren Alter. Aber auch beim gestressten, modernen Menschen, der durch permanenten Leistungsdruck frühzeitige Abnutzungs- und Verhärtungstendenzen zeigt, ist der Weißdorn angezeigt. Sowohl durch starke Emotionen wie Trauer, Enttäuschung, Verluste und emotionale Verletzungen als auch durch Stress kommt es zu einem Stau am Herzen, zu einer Verhärtung und Versteinerung, die sich in Arteriosklerose der Herzkranzgefäße äußern kann. Dass starke Emotionen auch einen Herzinfarkt auslösen können ist mittlerweile medizinisch anerkannt und wird als „Broken -Heart- Syndrom“ bezeichnet. Hier ist der Weißdorn die richtige Pflanze, um Stauungen zu lösen, die Gefäße zu entkrampfen und die Durchblutung zu verbessern. In der Signatur des Weißdorns erkennt man diese Stauung und Entstauung in den Wuchsbewegungen der Äste, die nicht wie bei anderen Bäumen geradlinig nach außen verlaufen, sondern immer wieder Bewegungen nach innen machen, sodass man beim Weißdorn für seine Größe relativ viel Holz bekommt.

Menschen, die Weißdorn brauchen sind einerseits weich und gefühlsbetont, andererseits aber auch hart und unnachgiebig, wie das Holz des Weißdorns. Sie stehen im Spannungsfeld von gestauter Emotion und impulsiver Entladung. Durch diese Stauung und Entstauung entsteht im Körper ein Rhythmus wie wir ihn vom Pumpvorgang im Herzen kennen. Kommt es durch Leid, Sorgen, Kränkungen, Stress oder Kummer nicht zur Entstauung kann sich das Herz versteifen und verhärten und bis zu einem Herzen aus Stein werden. Menschen, die den Weißdorn brauchen verschließen ihr Herz durch emotionale Verletzungen, Verluste oder Trauer und werden oft durch diese Ereignisse an die Grenze ihres Überlebenswillens gebracht. Weißdorn hilft selbst nach Jahren noch alte Trauer und Verletzungen aufzulösen und Tränen fließen zu lassen, die seit Jahren zurückgehalten wurden. Neben Enttäuschungen und Disharmonien in Beziehungen sind es auch Mobbing, Sticheleien, Altersdepressionen oder auch eine extreme Überarbeitung, die Auslöser sein können. Gerade nach Arbeiten bis zur geistigen Erschöpfung kann Weißdorn wieder zu einem guten Schlaf und zu der Spannkraft, die man früher einmal hatte verhelfen. Seine nervenberuhigende Wirkung vor allem auf den Sympathikus, der ständig aktiv ist, wenn wir im Dauerstress sind, senkt den Blutdruck und vermag uns zur Herzensruhe zurückzubringen. Weißdorn hilft Kränkungen zu vergessen, sich wieder an den Sonnenseiten des Lebens zu erfreuen, sich zu versöhnen und sich in unserer Leistungsgesellschaft mehr Ruhe und Auszeiten zu gönnen.
Sie können Weißdorn als Tee aus Blüten und Blättern oder aus den Früchten zu sich nehmen oder eine Tinktur einnehmen. Um die volle Heilwirkung zu erzielen ist es gut ihn über längere Zeit zu verabreichen. Jedoch spüren die meisten Patienten schon nach wenigen Tagen, dass sie leistungsfähiger und agiler sind.
Sabine Rosner
Heilpraktikerin